Woche 2

 

 
 
 
 

Bereits um 6.15 Uhr klingelte mein Wecker / Handy, da ich für 7 Uhr ein Taxi zum Bahnhof bestellt hatte. Frühstück gab es so früh im Hotel noch nicht, sodass ich mit dem am Vortag im „Tante-Emma-Laden“ gekauften Obst und Gebäck vorliebnahm. Pünktlich stand das Taxi vor der Tür und fuhr mich in 20 Min. zum Bahnhof Kasan 2. Nicht der Bahnhof, an dem ich am Vortag angekommen war, sondern ein anderer Bahnhof im Norden der Stadt. Ich hielt mich 15 Min. im Wartebereich auf, bis der Zugang zum Bahnsteig freigegeben wurde. Nach weiteren 5 Min. fuhr der Zug ein und nach genauem Abgleich der Fahrkarte mit meinem Pass durfte ich zusteigen. Diesmal fuhr ich 2. Klasse, da der Zug kein 1. Klasse Abteil hatte. Im Grunde sind die Abteile gleich groß, nur dass es in der 2. Klasse noch 2 zusätzliche obere Betten gibt.

 
 
 
 

Mir gegenüber im unteren Stock schlief eine Frau und auch in der oberen Etage hatten die Passagiere noch Nachtruhe, sodass ich mich leise verhielt. Diese wachten nach 1 Std. Fahrt auf und da die Frau minimal Englisch sprach, war eine rudimentäre Unterhaltung möglich. Sie war mit ihren beiden Kindern in Sotschi im Urlaub und nun auf dem Rückweg nach Hause (2 Tage Bahnfahrt…). Das größere Kind hatte schon 3 Jahre Englisch in der Schule, sodass sie mir die englischen Namen verschiedener Tiere aus ihrem Bilderbuch erzählte und ich jene ergänzte, welche sie noch nicht wusste. Leider stieg die Frau nebst der 2 Kinder gegen 13 Uhr aus und ich war mit einem etwa 25-jährigen allein im Abteil, der gar kein Englisch sprach.

 
 
 
 

Solange die Frau mit ihren 2 Kindern im Abteil war, war die Zeit hauptsächlich von Unterhaltung geprägt. Danach schaute ich mehrere Stunden zu, wie die Landschaft an mir vorbeizog. Endlose Birkenwälder, endlose Ebene mit vereinzelten Dörfern alle 30 Min. Die Dörfer waren traurig anzusehen, windschiefe Holzhäuser, teilweise schwer verfallen mit großen Selbstversorger-Gärten. Denn in 4 Monaten Vegetationszeit muss alles angebaut werden, denn der Winter ist lang und Aldi und Lidl gibt es dort nicht. Die meisten Dörfer haben nicht mal asphaltierte Straßen…  So alle 1 ½ Std. hielt der Zug mal in einem kleinen Bahnhof, aber meist nur 2 Min. Einen längeren, 15 Min. Halt hatten wir um 12:20 Uhr in Agrys, mittlerweile 1.100 km von Moskau entfernt.

 
                                                                                 

 

 
 

 

 

Sehr passend zur Mittagszeit, sodass ich mir bei einer der zahlreich vertretenen Babuschkas (russische Rentnerin) etwas zu Essen kaufte. Da die Rente der Damen sehr schmal ist, kochen jene zu Hause und bieten dann das Essen portioniert und abgepackt auf dem Bahnsteig für 150 RUB = 2,10 EUR an. Bei mir gab es Hähnchen mit Kartoffeln – schmeckte gut! Bei dem Stopp wurden die Drehgestelle mittels Klopf-Tests mit einer Eisenstange überprüft und der Fäkalien-Absaugwagen rückte an. Nachdem sich der Zug wieder in Bewegung setzte, las ich etwas Zeitung und da Essen in Verbindung mit Zeitung müde macht, schlief ich für 1 Std. ein. Dabei überquerten wir eine Zeitzone, welche die Uhr 2 Std. vorstellt (ja, 2 Std. nicht 1 Std.). Auch überquerten wir den Fluss Kama, welcher mit 1.800 km der 5. längste Fluss Europa´s ist (zuvor noch nie gehört).

 
 
 
 

Zunehmend wurde die Landschaft hügeliger, da wir durch den Süd-Ural fuhren. Neben den üblichen Birken gab es vereinzelte Seen und auch Sümpfe zu sehen. Auch wenn beim Ural von einem Gebirge die Rede ist, mehr als sanfte Hügel konnte ist nicht erkennen – da ist sogar das Sauerland „gebirgiger“. Der nächste größere Stopp war um 19:15 Uhr in Perm, wo ich mir 15 Min. die Beine vertrat. Letztlich hielten wir um 21:25 Uhr für 30 Min. irgendwo im Nirgendwo, genauer gesagt in Druzhinino. Dort lief alles über die Gleise, da sich kurz hinter dem Bahnhofsgelände ein kleiner Tante-Emma-Laden befindet. Das Risiko von einem Zug überrollt zu werden mag gering sein, viel witziger fand ich es, dass ein anderer Güterzug einfuhr und den Bier- und Schnapskäufern den direkten Weg zurück abschnitt.

 
 
 
  Denn russische Züge können 1,5 km lang sein und dann muss man drumherum laufen. Auf dem Bahnsteig lernte ich auch einen Russland-Deutschen kennen, der auf dem Weg in die Heimat war und bestes Deutsch sprach, denn seit die Frau mit den 2 Kindern den Zug mittags verlassen hat, konnte ich mangels russisch-Kenntnisse mit niemandem mehr ein Wort wechseln. Kurzerhand zog ich in sein Abteil um und wir unterhielten uns etwas. Um 23.34 Uhr fuhren wir in den Bahnhof von Jekaterinburg ein und nach 16 Std. und 1.670 km von Moskau entfernt war meine Fahrt (vorerst) beendet. Wie immer rief ich mir ein Taxi über das Yandex-App, welches mich für 140 RUB = 2 EUR zum Novotel Yekaterienburg Centre fuhr. Nach dem Check-In nahm ich noch kurz Kontakt nach Hause auf (dort war ja um Mitternacht meiner Zeit erst 21 Uhr), trank einen Absacker und war gegen 1 Uhr im Bett.
 
 
 
                                                               

                                   

 

 

 

 
                                                                           
 

          

                                                                                                                                             
 
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